Samskaras und Selbstkenntnis

Einblicke in die Yoga-Psychologie

„Sechs einfache Regeln für mehr Glück“ hieß neulich eine Kolumne in einer Familienzeitschrift. Und die vorgestellten Richtlinien für unseren Umgang miteinander waren gar nicht schlecht ausgedacht. Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass die Leser alle jetzt ihren Glückstrahl erblickt haben – es sei denn, dass sie sich, wie ich, nicht mehr an die einfachen Regeln erinnern können.

Laut dem Psychologen Daniel Goleman (Emotionale Intelligenz, 1995) sind in den USA   bisher 60 Milliarden Dollar in Kurse für Persönlichkeitsentwicklung investiert worden, vor allem für Führungskräfte in der Wirtschaft. In seinem Folgebuch zum oben genannten Bestseller (Emotionale Führung, 2003) wird das Ergebnis dieser Kurse unter die Lupe genommen: Meist sind schon wenige Wochen nach dem Training keine Spuren der neu erlernten Methoden mehr zu erkennen. Der Enthusiasmus hat sich aufgelöst und der Alltag ist zurückgekehrt. Man nennt dies einen Flitterwocheneffekt.

Von Natur aus ist der Mensch mit einem sehr effektiv denkenden Gehirn ausgestattet. Wir brauchen in der Regel eine Gebrauchsanleitung nur ein Mal zu lesen, dann wissen wir für immer wie der Toaster funktioniert. Unser Neocortex ist beim logisch-analytischen Denken ausgezeichnet rasch und brilliant.

Unsere Persönlichkeit, unser Handeln, unser Umgang mit anderen Menschen und mit uns selbst sind aber nicht im Neocortex, sondern im limbischen, sogenannten gefühlsmässigen Gehirn verwurzelt. Dieses hat eine einfachere Organisation der Gehirnzellen und ist beim Lernen langsamer als der Neocortex. Es speichert aber alle Eindrücke und Erfahrungen, die unser soziales Verhalten und die Art und Weise, wie wir uns selbst verwalten, beeinflussen. Dies ist auch in der Tiefenpsychologie bekannt: Alle Erfahrungen, die wir seit der Geburt gesammelt haben, wirken ständig auf unsere Persönlichkeit ein – auch wenn diese Eindrücke uns nicht immer bewusst sind.
In der Yogatradition nennen wir diese eingebetteten Impressionen und Gewohnheitsmuster Samskara. Die Samskaras können wir nicht „wegdenken“, daher haben psychologische Methoden, die sich nur an das denkende Gehirn wenden, wenig Erfolg. Meditation dagegen ist eine Methode, um den Intellekt zu verlassen und Zugang zum Unterbewussten zu bekommen. Die tieferen Bewusstseinsebenen werden in der Meditation gereinigt, d.h. von Spannungen befreit.

Um tief eingeprägte Gewohnheiten zu überwinden, braucht man Methoden, die vor allem auf Faktoren wie Motivation, umfassendem Üben und Feedback basieren, meint Daniel Goleman. Wer solche Techniken praktiziert, zieht jahrelang Nutzen daraus und die Kreativität bei der Arbeit wächst sogar noch mit der Zeit.

Yoga ist ein System solcher Methoden. Bei regelmäßigem Gebrauch lösen Yogastellungen und Atemübungen Spannungen in Muskeln, Organen und im Nervensystem, wodurch diese vitalisiert werden. In der Meditation werden mentale Spannungen beseitigt, was psychische Ausgeglichenheit und Vitalität schafft. Dies bestätigt auch die Wissenschaft. Messungen aus einer Studie der tantrischen Kriya Yoga Meditation zeigen bei den Meditierenden einen sehr entspannten und fokussierten mentalen Zustand sowie einen optimalen Kontakt zu ihren Gefühlen und zum Unterbewusstsein.

Oder, wie Swami Satyananda es ausgedrückt hat: „Der Mensch soll nicht nur intellektuell sein, und auch nicht nur gefühlsbetont. Es muß eine glückliche und zufriedenstellende Mischung aus beidem geben, sonst wird er oder sie keine Ruhe im Leben finden.“  Ende des Beitrages