Gedanken zu den Raunächten

Ende Dezember wird es wieder heller. Die längste Nacht liegt hinter uns. Nach der Wintersonnenwende kehrt langsam aber sicher das Licht in unser Leben zurück.

Schon im Mittelalter feierten unsere Vorfahren diesen jährlichen Wendepunkt mit dem Julfest, einem nordeuropäischen Brauch.

Wenige Tage nach der Sonnenwende, spätestens am 25. Dezember, beginnen dann die Raunächte.

Im Laufe eines Jahres, während die Erde einmal um die Sonne kreist, umrundet der Mond die Erde 12 Mal. Diese 12 Umläufe des Mondes dauern 354 Tage, ein Jahr hat aber 365 Tage, es bleiben 11 Tage und 12 Nächte, die Tage zwischen den Jahren, die Raunächte.

Wenn ich eine Yogastunde unterrichte, beginne ich meistens mit einer kurzen Zeit, in der die Teilnehmenden still auf dem Rücken liegen. Es ist die Pause zwischen dem Davor, dem Machen und Tun des vergangenen Tages, und dem Danach, zuerst den Übungen der Yogastunde und dann dem Abend und der Nacht. Es ist die Pause im Jetzt, wie die Pause zwischen Einatmen und Ausatmen.

So sind auch die Raunächte, auch Weihnachts- oder Mutternächte genannt, eine natürliche Pause, eine Zeit des Innehaltens, des Loslassens von der Routine.

Durch Kumbhaka (Anhalten des Atems, Atempause) erwacht die Kundalini und durch ihr Erwachen wird die Sushumna gereinigt. Wenn Kumbhaka vollständig gemeistert wird, kommt der Geist zur Ruhe. Es gibt nichts in den drei Welten, was schwer zu erlangen wäre für denjenigen, der fähig ist, eine angenehme Atemstellung einzunehmen.
Aus der Hatha Yoga Pradika

In den Raunächten werden die drei Welten sichtbar, nicht nur die Gegenwart, sondern auch Vergangenheit und Zukunft werden greifbarer. Die Tore zu anderen Dimensionen stehen uns in dieser Zeit offen. Träume können klarer werden, sogar Visionen können sich vor unserem inneren Auge entfalten. Innerlich können wir uns in dieser Zeit gut auf das kommende Jahr vorbereiten, auf unsere innere Stimme hören und die gewünschte Richtung einschlagen.

In den Raunächten sollen uns die unerlösten Seelen heimsuchen. Es ist also auch eine Zeit, um mit der Vergangenheit abzuschließen, alte Rechnungen zu begleichen und sich mit offenem Herzen zu versöhnen.

Die Raunächte enden am 6. Januar, dem Tag der Heiligen Drei Könige, der ursprünglich Drei Bethe hieß, nach den drei guten Frauen, den Schicksalsgöttinnen Ambeth, Wilbeth und Borbeth. Das Wort Bethe bedeutet Erdgöttin, wovon sich unter anderem das Wort beten, wörtlich die Göttin anrufen, ableitet.

So können die Raunächte auch eine Gelegenheit sein, sich mit der Erde zu verbinden, in den Mutterleib zurückzukehren, sich nähren und beschützen zu lassen. Wie werden wir die Zukunft mit unserer Erde gestalten, wie werden wir mit ihr und auf ihr leben? Vielleicht zeigen die Raunächte ihr Vertrauen in uns.

Yoni Mudra (im Mutterleib sein)

Sitze in Siddhasana und schließe Ohren, Nase, Augen und Lippen mit den Fingern. Ziehe das Prana Vayu ein und verbinde es mit dem Apana Vayu. Erwecke die schlafende Göttin Kundalini, indem du das Mantra Hamso wiederholst. Wenn du in dieser Praxis Vollkommenheit erlangst, trittst du wirklich in Samadhi ein. Wer also Befreiung wünscht, soll Yoni Mudra üben.
Aus der Gheranda Samhita