Ist Yoga ein Sport?
In der heutigen Zeit gewinnen Sport und Yoga zunehmend an Bedeutung, insbesondere um einem Bewegungsmangel durch Alltag und Beruf entgegenzuwirken. Viele Menschen streben danach, sich und ihrem Körper etwas Gutes zu tun, und Bewegung gilt als ein wichtiger Bestandteil einer gesunden Lebensführung.
Bei dem heutigen vielfältigen Angebot an Bewegungsformen kann es jedoch leicht zu einer gewissen Überforderung kommen. Neben der Frage Ist Yoga ein Sport?, welche Sportart die jeweils richtige ist, stellt sich für viele auch die Frage, ob Yoga eine geeignete Alternative darstellen könnte. Ist es notwendig, besonders gelenkig, dehnbar oder spirituell zu sein, um Yoga zu praktizieren? Und kann Yoga als Sport bezeichnet werden? Die Antwort ist vielschichtiger, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.
Die Geschichte des modernen Sports
Sport kann als körperliche Bewegung definiert werden, die wettkampfmäßig oder spielerisch ausgeübt wird. Dabei werden verschiedene Fähigkeiten sowie Fitness trainiert, wie Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Geschicklichkeit. Sport gilt allgemein als wichtiger Bestandteil einer gesunden Lebensführung.
Die Ursprünge des Sports lassen sich bis in das Altertum zurückverfolgen. Der moderne Sportgedanke begann mit dem rationalen Denken der Renaissance. Die Leibesübungen wurden zu unterschiedlichen Zwecken betrieben, beispielsweise zur Förderung der Gesundheit, zur Vorbereitung auf den Krieg oder im Rahmen von Wettkämpfen.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in Europa eine Begeisterung für die Körperkultur, die unter anderem in Deutschland und anderen europäischen Ländern zu einer Verbreitung des Turnens führte.
Auch politische und gesellschaftliche Entwicklungen beeinflussen das Verständnis und die Ausrichtung des Sportgedankens. Im Zuge der Industrialisierung und der damit verbundenen Entwicklung hin zur Leistungsgesellschaft hat sich auch der Leistungsgedanke innerhalb des Sports verändert.
Das Körperbewusstsein hat sich seit dem 19. Jahrhundert stark gewandelt und ist zu einem Körperkult geworden, der sich seit den Neunzigern beispielsweise im Fitnesskult niedergeschlagen hat.
Dabei hat sich der Freizeitsport bis heute stark individualisiert und unterliegt gleichzeitig Moden bzw. Trends. Dabei möchte ich gerne darauf hinweisen, dass Medien, Prominente und die Fitnessindustrie einen nicht unerheblichen Einfluss haben. Die Motivation, verschieden Sportarten auszuüben, hat sich im Laufe der Zeit stark verändert. Während früher Sport ausgeübt wurde, um im Ernstfall das Land zu verteidigen, stehen heute Motive wie Wohlbefinden, körperliche Gesundheit, Ausgleich und attraktives Aussehen im Vordergrund.
Der Stellenwert von Sport in der heutigen Zeit
Sport spielt in der modernen Gesellschaft eine wichtige Rolle. Er wird als wichtiger Bestandteil einer gesundheitsbewussten Lebensführung angesehen. So kann Sport am Ende eines Arbeitstages, der in vielen Berufen durch Bewegungsmangel gekennzeichnet ist, als Ausgleich betrieben werden.
Zusätzlich hat das Streben nach dem perfekten Körper, also der Fitness- und Körperkult, zu immer vielfältigeren Angeboten an Sportangeboten geführt. Soziale Medien und Werbung tragen dazu bei, dass das Bestreben, Sport zu treiben, immer stärker wird. Dadurch wird auch die Motivation beeinflusst, aus der heraus Menschen Sport treiben.
Die Wirkung von Sport
Es gibt verschiedene Motive, Sport zu treiben. Dazu gehören beispielsweise die Gesunderhaltung, die Stressbewältigung, das Abnehmen oder die Gewichtskontrolle. Auch das Bedürfnis nach Bewegungsausgleich oder die Freude an Bewegung können Gründe dafür sein. Manche möchten Bestleistungen erzielen oder sich im Wettkampf mit anderen messen.
Wer Sport treibt, bewirkt Veränderungen im Körper. So kann das Herz-Kreislaufsystem gestärkt, die Ausdauer verbessert, die Muskeln und Gelenke gestärkt und Stress abgebaut werden. Das Wohlbefinden kann gesteigert sowie der Schlaf verbessert werden.
Soziale Medien und Werbung verstärken dieses Bestreben und haben möglicherweise Einfluss darauf, aus welcher Motivation heraus Menschen Sport treiben.
Was ist Yoga?
Yoga kann als System von Anleitungen verstanden werden, das den Menschen in seiner Gesamtheit fördert. Yoga kann Einfluss auf jeden Bereich des Menschen haben, sei es physisch, mental, emotional oder spirituell. Es geht um die Herstellung eines übergreifenden Friedens, eine Harmonisierung von Körper, Geist und Emotionen, wobei körperliche und psychische Blockaden überwunden werden. Ziel ist es letztlich, das menschliche Bewusstsein zu entwickeln. Dazu werden Techniken wie Asanas (Körperübungen), Pranayama (Atemtechniken) und weitere Reinigungstechniken und schließlich Meditation praktiziert.
Heute wird Yoga meist mit den Körperübungen, den Asanas, in Verbindung gebracht. Es wäre interessant, einmal einen Blick darauf zu werfen, wie es zu Yoga in seinen heutigen Ausprägungen gekommen ist.
Die Geschichte des modernen Yogas
Yoga hat seinen Ursprung in Indien und ist gewissermaßen als Suche nach Wegen zu höherer Erkenntnis entstanden. Der Körper wurde dabei als Instrument zur Erkenntnis betrachtet und Askese galt als Methode der Weltentsagung.
Die Sutren des Patanjali, die vor über 2000 Jahren verfasst wurden, bilden die Grundlage des Yoga. Die Sutren stellen eine Art Leitfaden für ein geistig klares und körperlich gelassenes Leben dar und waren die erste Verschriftlichung eines vereinheitlichten und vollständigen Yogasystems. Heute wird Yoga vor allem mit den Körperübungen, den sogenannten Asanas, in Verbindung gebracht. Diese bilden die dritte Stufe des dort beschriebenen achtgliedrigen Pfades.
Yoga, wie wir es heute kennen und vor über hundert Jahren von Indien in den Westen gefunden hat, hat auch Entwicklungen durchlaufen, die verschiedenen Einflüssen unterlagen. Yoga in seiner heutigen Form ist das Ergebnis von vielen Faktoren, vor allem auch eines Experimentierens und Forschens für einen indischen Weg der Körperkultur. So haben westliche gymnastische und athletische Übungsmethoden, wie sie im 19. Jahrhundert im Westen entstanden, einen nicht unerheblichen Einfluss auch in Indien gehabt und dazu geführt, dass sich die Yoga-Praxis in Anlehnung daran weiterentwickelt hat. Mit Swami Vivekananda, der Ende des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten für Yoga als Weg der Selbsterkenntnis warb, kam die Philosophie des Yogas gewissermaßen in den Westen.
Swami Sivenanda war es dann, der Anfang des 20. Jahrhunderts mit vielen Veröffentlichungen über Yoga in englischer Sprache ein Publikum auch im Westen fand. Er bot damit westlichen Menschen Yoga als ein System von Körper- und Atemübungen an, die jeder Mensch ganz gleich aus welcher Kultur praktizieren kann. Damit legte er den Grundstein des modernen Yoga.
Asanas
Yoga wird heute in erster Linie mit den Körperübungen, den sogenannten Asanas, assoziiert. Das Sanskritwort „Yoga” bedeutet so viel wie „Anbindung” oder „Vereinigung”. Es bezeichnet die Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum in einer ruhigen Körper- bzw. Sitzhaltung zu verweilen, wie sie für die Meditation erforderlich ist.
Unter dem Begriff „Yoga” werden heute unterschiedliche Yogahaltungen zusammengefasst. Sie bewirken eine höhere Achtsamkeit und sind geeignet, Körper, Atem und Geist zu beeinflussen. Das Ziel ist es, Anspannungen zu lösen, zunächst auf der physischen Ebene, wodurch dann aber auch eine Entspannung auf emotionaler Ebene erreicht wird. Asanas können dazu beitragen, Energieblockaden zu lösen. Sie können den Körper auch auf energetischer Ebene beeinflussen.
Das Ausüben bestimmter Asanas kann dazu beitragen, das Gleichgewicht zu schulen und gleichzeitig geistige Ausgeglichenheit zu fördern. Auch die Muskeln werden trainiert, gedehnt und entwickelt, allerdings nicht mit dem Ziel, sie zu stärken, sondern um die harmonische Funktion der Organe, Drüsen, des Nervensystems und des Geistes herbeizuführen.
Der Stellenwert von Yoga in der heutigen Zeit
Yoga erfreut sich in den letzten Jahrzehnten einer steigenden Beliebtheit. Schätzungen zufolge üben in Deutschland derzeit etwa 8 Millionen Menschen Yoga aus. Dabei werden die Asanas, die körperlichen Übungen, heute zunehmend auch ohne ein spirituelles Ziel praktiziert. Da die Ausrichtung der Yoga-Übungen auf die Harmonie und Ganzheit des Körpers abzielt, sind sie besonders wirkungsvoll.
Neben einer Stärkung der Muskulatur, der Gelenke und Sehnen tragen sie vor allem zu einer Harmonisierung des Nervensystems sowie des Hormonsystems bei. Dadurch können sie sich positiv auf das allgemeine Wohlbefinden auswirken, sowohl auf das körperliche als auch auf das emotionale.
Yoga hat zudem eine stressreduzierende Wirkung, da der Parasympathikus direkt aktiviert wird. Körperprozesse wie Atmung, Herzschlag und Muskelspannung werden reduziert, was zu einer entspannenden und insgesamt ruhigen Wirkung führt. Auch die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol wird vermindert. Außerdem wirkt Yoga ausgleichend auf den Blutdruck.
Zusätzlich werden mit Yoga-Übungen Muskeln und Gelenke trainiert, Muskeln, Bänder und Faszien gedehnt. Yogaübungen haben möglicherweise Auswirkungen auf die Funktionsweise der Organe und könnten sich regulierend auf das endokrine Drüsensystem auswirken. Dadurch könnte das Hormonsystem reguliert werden und somit zahlreiche Körperfunktionen.
Yoga-Übungen haben nicht nur rein körperliche Wirkungen, sondern können auch als Instrument zu einer neuen Lebenseinstellung dienen. Mit Yoga übt man Achtsamkeit, Wahrnehmung und Beziehung zur Umgebung und dem eigenen Selbst. Dadurch verändert Yoga den Blick auf das Leben und den Umgang mit sich und anderen.
Heilende Wirkungen von Yoga
Yoga kann auf vielfältige Weise zu mehr Wohlbefinden beitragen. Es fördert die Flexibilität und stärkt die Muskulatur, was zu einer verbesserten Körperhaltung und weniger Verspannungen führen kann.
Die kontrollierten Atemtechniken (Pranayama) können die Lungenfunktion verbessern und die Sauerstoffversorgung des Körpers erhöhen, was sich wiederum positiv auf das Herz-Kreislauf-System auswirken kann.
Es gibt Hinweise darauf, dass regelmäßiges Yoga dazu beitragen kann, Stress zu reduzieren. Dies könnte dadurch erklärt werden, dass Yoga den Parasympathikus aktiviert und somit die Entspannung fördert. Dies wiederum könnte zu einer Senkung des Cortisolspiegels führen, des Hauptstresshormons. Zudem könnten die meditativen Aspekte des Yoga die mentale Gesundheit verbessern, indem sie Achtsamkeit und innere Ruhe fördern.
Es gibt zudem Hinweise darauf, dass Yoga positive Effekte auf das endokrine System haben könnte, da es die Funktion der Hormondrüsen harmonisieren könnte. Yoga könnte bei der Regulierung von Hormonstörungen helfen und den Stoffwechsel anregen. Auch bei chronischen Beschwerden wie Rückenschmerzen, Migräne oder Schlafstörungen zeigt Yoga oft eine gesundheitsförderliche Wirkung.
Yoga kann insgesamt zu einer ganzheitlichen Gesundheit beitragen, indem es körperliche, geistige und emotionale Aspekte harmonisiert und das allgemeine Wohlbefinden verbessert.
Es besteht die Möglichkeit, dass Yoga die Funktion der Hormondrüsen harmonisiert. Dies kann bei der Regulierung von Hormonstörungen helfen und den Stoffwechsel anregen. Auch bei chronischen Beschwerden wie Rückenschmerzen, Migräne oder Schlafstörungen kann Yoga oft gesundheitsförderlich wirken.
Yoga kann insgesamt zu einer ganzheitlichen Gesundheit beitragen, indem es körperliche, geistige und emotionale Aspekte harmonisiert und das allgemeine Wohlbefinden verbessert.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Körperübungen, sowohl im Sport als auch im Yoga, fördern die körperliche Gesundheit. Sie sind geeignet, die Fitness zu erhalten, Stress abzubauen, das Wohlbefinden zu steigern und den Schlaf zu verbessern. Für beides gilt, dass eine regelmäßige Praxis förderlich ist.
Sport ist auf den Körper fokussiert. Beim Ausüben von sportlichen Aktivitäten werden Atmung und Stoffwechsel beschleunigt und der Sauerstoffverbrauch sowie die Körpertemperatur steigen an. Unter Berücksichtigung der korrekten Ausführung kann Sport einen positiven Einfluss auf die Gesundheit haben.
In vielen Fällen ist Sport wettbewerbs- und leistungsorientiert. Bei einer Ausübung mit dem Ziel der Körperoptimierung besteht die Gefahr einer Überlastung oder Überforderung, was wiederum das Risiko von Verletzungen birgt.
Während Sport den Puls und den Stoffwechsel beschleunigt, bewirkt Yoga das Gegenteil: Die Atmung und der Puls verlangsamen sich. Vor allem haben Asanas eine ganz spezifische Wirkung auf die Funktion der Organe und des endokrinen Drüsensystems sowie auf das Nervensystem. Trotz verlangsamter Atmung wird das Blut stark mit Sauerstoff angereichert.
Die Wirbelsäule nimmt im Rahmen eines Yogaprogramms eine besondere Bedeutung ein, da sie in alle Richtungen bewegt wird. Dies dient der Stärkung, Elastizitätserhaltung und Gesunderhaltung. Yoga ist auf die Förderung der inneren Balance und Achtsamkeit ausgerichtet. Durch Gleichgewichtsübungen wird zudem die geistige Ausgeglichenheit beeinflusst.
Die Ausübung von Asanas zielt insgesamt darauf ab, das gesamte System zu harmonisieren und zu energetisieren. Im Gegensatz dazu führt Sport dazu, dass die Energie nach außen abgeleitet wird. Yoga hingegen führt dem Körper Energie zu. Beim Sport besteht die Gefahr, den Körper zu überfordern. Schnelle Bewegungen können sich schädlich auf Muskeln, Gelenke und Organe auswirken.
Da klassische Asanas stets langsam, harmonisch und mit Atembegleitung ausgeführt werden, kann keine nachteilige Wirkung für den Körper festgestellt werden.
Schlussfolgerung
Asanas, die man aus dem Yoga kennt, sehen auf den ersten Blick wie gymnastische Übungen aus. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass sie viel mehr sind. Es gibt durchaus Gemeinsamkeiten zwischen Yoga und Sport, aber auch grundlegende Unterschiede in der Intention und den Zielen. Yoga ist im Verständnis von Gymnastik bzw. sportlichen Übungen gewissermaßen zum Trend geworden, wodurch es auf den ersten Blick wie Sport erscheint.
Die Asanas im Yoga haben zum Ziel, den Körper in bestimmte Haltungen zu bringen, die dazu beitragen, Anspannungen zu lösen, die Achtsamkeit, die Konzentration und die Meditation zu fördern. Yoga hat von Anfang an eine wohltuende Wirkung. Yoga ist ganzheitlich auf die Ausgewogenheit und Harmonie aller Ebenen des Körpers und letztlich auf alle Ebenen des Seins ausgerichtet. Das wird als Gesundheit im erweiterten Sinne verstanden.
Yoga kann, je nach Ausübung, den Menschen ganzheitlich entwickeln und dessen Lebens- und Weltanschauung verändern. Somit stellt Yoga eine andere und sehr viel umfassendere Form der Betätigung dar als Sport.
Dieser Text stammt aus der Abschlussarbeit von Sandra Westerkamp, die sie als Teil des Moduls „Asana“ in der Yogalehrerausbildung am Yoga im Zentrum, Harbergen Retreat Zentrum, verfasst hat.