Pilotstudie zu Nadi Shodana – dem Wechselatem
Nadi Shodana ist eine der wichtigsten Atemübungen im Yoga – wenn nicht die wichtigste überhaupt. Nadi Shodana entwickelt sich von einer ganz einfachen Ausführung für Anfänger bis hin zu sehr fortgeschrittenen Varianten, die in kürzester Zeit eine Erneuerung von Energie und Wahrnehmung bewirken. Aber was passiert hinter den Kulissen, welchen Einfluss hat die Atemübung auf die Physiologie? Hier berichten wir über eine wissenschaftliche Studie mit Nadi Shodana – mit überraschenden Ergebnissen.
von Hamsananda
Als ich Anfang der achtziger Jahre in Kopenhagen lebte, reiste ich öfters nach Köln bzw. Bonn um an wissenschaftlichen Studien über Yoga und Meditation teilzunehmen. Die Untersuchungen wurden von Dr. Thomas Schmidt geleitet, der an der Uniklinik Köln arbeitete. Es fanden mehrere parallele Studien statt, wobei sich die Messungen auf Blutdruck und Herzfrequenz konzentrierten – Dr. Schmidts Spezialgebiet.
Man tastete sich langsam an brauchbare Untersuchungsmethoden heran. Die Messtechnologien entwickelten sich in diesen Jahren drastisch und neue Patente für die Messung wurden getestet. Entscheidend für genaue Ergebnisse war eine kontinuierliche Blutdruckmessung (beat to beat) – was mit einer mechanischen Blutdruckmessung mittels Manschette und Handpumpe nicht möglich ist. Anfangs wurde deshalb eine intraarterielle Messung angewendet und in späteren Studien Finapres, ein Patent aus Tschechien, entwickelt in den Niederlanden. Finapres maß mithilfe einer Fingermanschette kontinuierlich die arteriellen Blutdruckwelle im Finger. Spätere Aufnahmen wurden digital erfasst.
Die Untersuchungen wurden aus reinem Interesse an den Wirkungen des Yoga durchgeführt. Ich finde es ein bisschen unheimlich, mir zu überlegen, dass die Forschung über Yoga und Meditation und die damit verbundenen Vorteile für die Volksgesundheit viel mehr genutzt werden könnten, wenn sie mehr Unterstützung erhielten. Dennoch gibt es bis heute hunderte von wissenschaftlichen Untersuchungen und Studien in medizinischen Datenbanken. Auch in diesem Fall gelang es, die nötigen Umstände und Mitteln zu schaffen, was eine Reihe interessanter Ergebnisse hervorbrachte.
So wird Nadi Shodana ausgeführt
Nadi Shodana für Anfänger: Sitze aufrecht in einer Meditationsstellung. Sitze einen Augenblick mit geschlossenen Augen und lasse den Körper zur Ruhe kommen. Schließe nun das rechte Nasenloch mit dem Daumen der rechten Hand, lege Zeige- und Mittelfinger zwischen die Augenbrauen und atme langsam durch das linke Nasenloch vollständig ein. Verschließe nun das linke Nasenloch mit dem Ringfinger, öffne das rechte Nasenloch und atme langsam aus. Atme durch das rechte Nasenloch ein und verschließe es dann mit dem Daumen und atme durch das linke Nasenloch aus. Dies ist eine Runde. Atme so langsam und so tief wie möglich – die Atmung sollte lautlos sein. Wiederhole dies mehrere Runden ohne Pause.
Übe regelmäßig über einen Zeitraum, bis das Anwenden dieser Technik für Dich selbstverständlich wird. Wenn Du damit gut vertraut bist, füge das Anhalten des Atems hinzu. Die Ein- und Ausatmung sind immer noch langsam, in dieser Variante wird jedoch der Atem nach jeder Einatmung für eine Weile angehalten. Dies sollte wieder regelmäßig über einen längeren Zeitraum geübt werden. Halte den Atem nur so lange, dass die darauf folgende Ausatmung langsam und lautlos sein kann und du fünf Runden ruhig und harmonisch ausführen kannst.
In der nächsten Stufe wird der Atem in ein bestimmtes Verhältnis eingeteilt, nämlich 1:4:2. (1 = Einatmung, 4 = Halten des Atems, 2 = Ausatmung). Beispielsweise zählt man bis 10, während man durch das linke Nasenloch einatmet, bis 40, während man den Atem anhält und bis 20 während man durch das rechte Nasenloch ausatmet. Von rechts nach links ebenso. Mache auf diese Weise fünf Runden. Die Zahlen werden mit dem Üben und Fortschritt erhöht bis 20:80:40. Weiterhin kann dann der Atem nach der Ausatmung im Verhältnis 1:4:2:2 gehalten werden.
Der Blutdruck ändert sich während Nadi Shodana
Besonderes Interesse haben bei diesen Versuchen die Schwankungen des Blutdrucks erweckt. In der Einatmungs-Phase ist der Blutdruck normal. Während des Anhaltens sinkt er jedoch ab, beginnt während der Ausatmung wieder zu steigen, um dann schließlich einen Mittelwert zu finden. Weitere Versuche zeigten dasselbe Bild. Die relativen Änderungen waren immer die gleichen, unabhängig von Person und Erfahrung. Bei wenig Geübten waren im Verhältnis die gleichen Schwankungen erkennbar, allerdings nicht so ausgeprägt wie bei geübten Menschen.
Bei den ersten Untersuchungen dieser Art rätselten die Ärzte insbesondere über die Höhe des systolischen Blutdrucks (der Blutdruck im Moment der Kontraktion des Herzmuskels). Bei erfahrenen Probanden erreichte er einen Wert von bis zu 200 mm Hg (siehe Diagramm unten). Dies mag erklären, warum die Ausatmung doppelt so langsam ausgeführt werden sollte wie die Einatmung – um die Drucksteigerung abzufangen. Es zeigt aber auch das große Potential dieser Übung – und obwohl es sich hier nicht um eine groß ausgelegte Studie handelt – ist die Tendenz deutlich.
Das Diagramm zeigt eine Messung von einem Yogalehrer mit mehreren Jahren Erfahrung während Nadi Shodana im Verhältnis 1 : 4 : 2 (in diesem Falle zwei Runden). Die Kurven zeigen die Veränderungen des Blutdrucks in Relation zum Atmen und Herzfrequenz: Der Blutdruck sinkt (systolisch = weiss) während des Anhaltens auf fast 100 mm Hg bzw. auf ca. 70 mm Hg diastolisch und klettert auf knapp 200 mm Hg systolisch bzw. ca. 130 diastolisch (grün). Die Drucksteigerung während des Ausatmens ist mit dem Abfallen der Herzfrequenz verbunden. Der Blutdruck erreicht am Ende wieder Basiswerte.
Systolischer Blutdruck
Diastolischer Blutdruck
Herzfrequenz
Die Markierungen „Ein“ (Einatmen), „Anhalten“ und „Aus“ (Ausatmen) wurde manuell eingegeben und entsprechen nicht ganz den tatsächlichen Phasen.
Fazit
Es scheint, als sei Nadi Shodana in der Lage, den Blutdruck beweglich und flexibel zu halten. Der Blutdruck bleibt nicht oben oder unten “hängen”, er passt sich an und findet im Endeffekt das richtige Niveau. Atemübungen sind insgesamt wichtig für Menschen mit zu hohem oder zu niedrigem Blutdruck. Aber auch Yogastellungen, Tiefenentspannung und Meditation sollten in einer regelmäßigen Praxis nicht fehlen.
So ist es möglich, einen zu hohen Blutdruck durch eine regelmäßige Praxis von Yoga auf normale Werte zu senken.
Nadi Shodana ist in diesem Sinne ein Werkzeug, das uns modernen Menschen die Möglichkeit gibt, unser vegetatives/autonomes Nervensystem positiv zu beeinflussen. Nadi Shodana ist aber vor allem eine Atemübung um die Energie zu erhöhen und um Klarheit, Überblick und Konzentration zu erlangen.
Mehr zum Thema:
→ Yoga und Bluthochdruck – über eine Studie mit Veränderungen
Quelle:
Dr. Thomas H. Schmidt: Cardiovascular Reactions and Cardiovascular Risk, Abschnitt Cardiovascular Reactions during Yoga Breathing Exercises, Seite 160-171. Karger Biobehavioral Medicine Series, Vol. 2, Basel 1983