Mehr Wissen über Yoga. Der Ursprung und die Geschichte
Am Anfang
gab es Yoga, die große Einheit und Harmonie. Alles in der Welt passte wunderbar zusammen und es gab nichts, was fehlte. Und so ist es immer noch! Nur gibt es gleichzeitig auch einen Schleier, Maya, die Täuschung. Und sie bewegt uns dazu, die Ganzheit zu vergessen und Dinge zu machen und zu glauben, die meistens auf fehlerhaften Schlussfolgerungen beruhen.
Yoga ist sowohl ein außergewöhnlicher Modus der Wahrnehmung als auch ein System von Übungen und Techniken, die uns helfen, einen solchen harmonischen, offenen, freien, glücklichen, entspannten und hilfsbereiten Zustand zu erreichen und in ihm zu verweilen.
Die ältesten yogischen Schriften, die Veden, berichten über diesen transzendenten Zustand von Glückseligkeit und spiritueller Erkenntnis. Es werden jedoch keine konkreten Yogaübungen beschrieben, um ihn zu erreichen. Gesprochen wird lediglich über die Essenz, das Erkennen und Verwirklichen der eigenen wahren Identität im Eins-Sein mit dem kosmischen Bewusstsein.
Dieses esoterische Wissen besaßen nicht nur die Inder. Auch vielen anderen Völkern wie den amerikanischen Indianern, den Ureinwohnern Australiens, den Früh-Skandinaviern, den Inuits und den Einheimischen in Sibirien war es vertraut. Sie hüteten und kommunizierten es in verschiedenen Riten, in Symbolsprachen und in ihrer Kunst.
Die Weisen Indiens gaben den Yoga mündlich an ihre ausgewählten Schüler weiter. Es vergingen tausende Jahre bis nach und nach konkretere Anleitungen niedergeschrieben wurden. All diese Schriften und Bücher, die noch in Sanskrit verfasst wurden, sind nun allerdings nicht geeignet Yoga von Grund auf zu lernen, sie wurden eher als Erinnerung und Stütze für Kenner konzipiert.
Wie der Yoga in den Westen kam
Am 12. Januar 1863 wurde Narendranath Datta in Kolkata im Nordosten Indiens geboren. Sein Vater war ein erfolgreicher Anwalt, wie es auch der Groß- und Urgroßvater gewesen waren. Die Familie war reich, lebte ein luxuriöses Leben und die Kinder besuchten englische Schulen. Es gab in der Familie aber auch eine spirituelle Ader.
Narendranath war schon in der Kindheit auf der Suche nach einer universellen Wahrheit – wie ein enger Verwandter, der seit langem als Wandermönch lebte.
Narendranaths Vater, ein sehr großzügiger Mensch, der seine Mittel gerne für andere einsetzte, starb 1884 plötzlich und hinterließ die Familie völlig verarmt. Das bedeutete für Narendranath, dass er seine spirituelle Suche jetzt nur unter erschwerten Bedingungen fortsetzen konnte. In dieser Situation machte ihn Professor Hastie auf Ramakrishna Paramahamsa aufmerksam. Wenn es einen Mensch gäbe, meinte der Professor, der einen besonders gesegneten Geisteszustand erlebt habe, dann wäre es Ramakrishna..
Ramakrishna wurde 1836 in einer Brahmin-Familie geboren, der einflussreichsten Gruppe im indischen Kastensystem, der Priester. Er hatte als Kind kein Interesse an der Schule, wollte sich lieber mit den Reichtümern des unbegrenzten höheren Wissens beschäftigen.
Als Erwachsener wurde er Mystiker und Priester eines Kali-Tempels und übte dort die Verehrung der Göttin Kali aus, der große Mutter des Universums. Dabei entstand in seinem Herzen die große Frage, ob andere Menschen in ihrem anderen Glauben genau so glücklich waren wie er mit Kali. Er wollte wissen, was sie alle in ihren verschiedenen Religionen fühlen und erleben. Und so praktizierte er selbst zunächst Tantra und Vedanta, wurde dann Muslim, nahm später den Christlichen Glauben an und kam nach Jahren der aufrechten Hingabe zur der Schlussfolgerung, dass alle Wege zum selben Ziel führen, zur spirituellen Erlösung und Befreiung des Menschen.
Als Ramakrishna 1886 in Sterben lag, übergab er Narendranath, seinem Liebling, die Verantwortung für seine Schüler. Zwei Jahre später befreite sich Narendranath jedoch von diesen Verpflichtungen und setzte sein Leben als Wandermönch „Swami Vivekananda“ fort. In den folgenden Jahren bewegte er sich kreuz und quer durch Indien. Ihm begegnete eine sehr bunte Vielfalt an Landsleuten, vor allem auch viele, die bettelarm waren. Vivekananda wurde klar, dass die starke Unterdrückung durch die Brahminen-Kaste die Volksmassen regelrecht ihrer Lebensgrundlage beraubte. Anstatt das Wissen aus den Veden einzusetzen, um das Leben für die Menschen zu verbessern, wurde ihnen jeglicher Zugang zu Bildung und sozialem Aufstieg verweigert.
Wenn es ein Glück ist, das Bewusstsein dieses kleinen Körpers zu genießen… wird das Ziel, das höchste Glück, dann erreicht, wenn dieses Bewusstsein universelles Bewusstsein geworden ist.
Deshalb, um diese unendliche universelle Individualität zu erreichen, muss diese ärmliche kleine Gefängnis-Individualität sich erweitern: Nur dann kann der Tod aufhören, wenn ich mit dem Leben eins bin, nur dann kann das Elend aufhören, wenn ich mit der Freude selbst eins bin, nur dann können Irrtümer enden, wenn ich mit dem Wissen eins bin; und dies ist eine notwendige wissenschaftliche Schlussfolgerung. Die Wissenschaft hat mir bewiesen, dass körperliche Individualität eine Täuschung ist, dass mein Körper eigentlich ein kleiner andauernd veränderlicher Körper in einem ununterbrochenen Meer aus Materie ist und dass Advaita (Einheit) eine notwendige Einigung mit meinem Gegenpol ist – der Seele.“
Swami Vivekananda, Chicago September 1893
Swami Vivekananda war der Meinung, dass nur Hilfe von außen die Situation in Indien verbessern könnte und begab sich 1893 auf eine Reise nach den Vereinigten Staaten, um als Repräsentant für Indien und die Hindureligion an dem Kongress „Parliament of the Worlds Religions“ in Chicago teilzunehmen. Schon der erste Satz seiner Rede am 11. September „Sisters and Brothers of America“ erntete einen Riesenapplaus unter den 7000 Zuhörern. Swami Vivekananda, ein gutaussehender Mann in orientalischer Kleidung mit Turban, der ein exzellentes Englisch sprach, zog in der kommenden Woche die Amerikaner vollständig in seinen Bann. Sie waren gerührt und begeistert. Er redete über unser gemeinsames spirituelles Erbe, sprach für Toleranz und universelle Akzeptanz. In Amerika bekam er viele Anhänger und Unterstützer. The Vedanta Society wurde gegründet und er verbrachte seine wenigen letzen Jahre mit Reisen und Vorträgen. Seine Überzeugung war es, dass jeder Weg zur Selbsterkenntnis als Yoga bezeichnet werden kann. In Indien wird er heute noch als ein großer Volksheld gefeiert.
Exportschlager Yoga
1924 traf ein junger Arzt in Rishikesh am Fuße des Himalayas einen Yogi, Swami Vishwananda, ließ sich von ihm als Swami Sivananda Saraswati einweihen und lebte einige Jahre in dessen Ashram. Dort praktizierte er auf intensive Weise Yoga und Meditation und betreute nebenbei auch Kranke. Später reiste er lange Zeit in Indien und besuchte viele bedeutende Yogis und verschiedene spirituelle Lehrer. Er schrieb kleine Artikeln über Yoga, die er verbreiten ließ, und wurde nach und nach von vielen aufgesucht, um Ratschläge zu bekommen.
Man kann sagen, dass sich Swami Sivananda in dieser Zeit zu einer Datenbank für Yoga und Meditation entwickelte. Er war sehr fleißig, ein Arbeitstier, kümmerte sich gleichzeitig um Kranke und war auch ein großer Visionär. Er fing an, Bücher auf Englisch zu schreiben, was bei den älteren Swamis verpönt war. Denn bis dahin waren alle yogischen Schriften auf Sanskrit verfasst und damit nur für einen kleinen Zirkel zugänglich. Swami Sivanandas etwa 300 Bücher dagegen erreichten bis heute Millionen von Menschen.
Swami Sivananda fand es naheliegend den westlichen Menschen Yoga als ein System von Körperübungen anzubieten, um die Gesundheit zu fördern und um auf die Schätze der indischen Kultur aufmerksam zu machen. Fast hundert Jahre später stellen wir fest, dass ihm das gelungen ist. Sivanandas Yoga der Synthese ist heute in verschiedenen Formen eine Grundlage für den modernen Yoga. Er hat Yogaübungen und Atemtechniken systematisiert, so dass sie jeder, ganz gleich in welcher Kultur, erlernen und praktizieren kann. Er hat die wichtigsten Yogastellungen in der Rishikeshreihe, als die Klassischen Yogastellungen zusammengestellt. Er ist, so könnte man sagen, der Vater des modernen Hatha Yoga im Sinne des Körperyogas, hat dabei aber auch andere Yogas wie Karma, Bhakti, Jnana und Raja Yoga integriert, was in seiner Philosophie klar zum Ausdruck kommt: Serve, love, give, purify, meditate, realize!
Anugraha
Gnade ist immer da! Die meisten Menschen spüren sie wegen unzureichender Empfänglichkeit jedoch nie. Nur wenn der Geist ruhig, konzentriert und empfänglich ist, kann Gnade auftreten und uns übersinnliches Wissen bringen. Gnade ist auch das, was uns dazu bewegt, unsere Macken und Unzulänglichkeiten zu erkennen. Es ist Gnade, die uns zur Begegnung mit dem Guru führt. Gnade verursacht, dass du mit Yoga anfängst.
Gnade ist stets gegenwärtig. Die meisten Menschen sind aber kaum darauf eingestellt. Wenn ein Mensch sich gegenüber allem öffnet, fließt unvermeidlich Gnade. Dieser Geisteszustand kann nicht mit Willenskraft erzeugt werden und auch nicht indem man lediglich an ihn denkt. Er kann nur spontan durch Yoga-Praktiken hervorgerufen werden. Wenn der Geist ein bestimmtes Maß an Klarheit erreicht, wird Gnade von selbst fließen.“
Swami Satyananda
Yoga für Fortgeschrittene
ist wie eine Liebesgeschichte. Man geht durch dick und dünn, hält aber immer zusammen und setzt weiterhin den einen Fuß vor den anderen. Das Vertrauen ist da, dass man das Richtige tut, weil das Tun das Leben selbst ist. Der Prozess, an dem man teilnimmt, lässt die Erde sich drehen, die Sonne strahlen und die Sterne funkeln. Und dennoch ist der Pfad ein schmaler Grat, nur für den ausgelegt, der es wirklich nicht lassen kann. Geh einfach…